Gebärdensprachen
"Wie sage ich es ohne Worte?"
"Wie sage ich es ohne Worte?"
Es gibt verschiedene Arten von Kommunikationssystemen, die Gesten statt der Stimme verwenden. Hier jedoch geht es um die natürlichen Gebärdensprachen von Gehörlosen. Bei diesen handelt es sich um sich natürlich entwickelnde, vollwertige Sprachen, die sich sowohl von gesprochenen Sprachen als auch voneinander unterscheiden.
Diese müssen von artifiziellen, von Hörenden entwickelten Gebärdensystemen unterschieden werden. Diese Systeme entnehmen Teile des Vokabulars aus natürlichen Gebärdensprachen und modifizieren sie, um die Struktur einer gesprochenen Sprache nachzuahmen ("lautsprachbegleitende Gebärden"). Wenngleich diese Systeme in manchen begrenzten Kontexten nützlich sein können, sind sie bei umfangreicherem Gebrauch recht umständlich und werden von Gehörlosen untereinander nicht verwendet. Für gewöhnlich überschreiten Gebärdensprachen keine nationalen Grenzen oder Sprachgrenzen gesprochener Sprachen; so sind z.B. Britische Gebärdensprache (BSL) und Amerikanische Gebärdensprache (ASL) nicht gegenseitig verständlich. Jedoch sind die Grammatiken natürlicher Gebärdensprachen einander sehr ähnlich, die größten Unterschiede finden sich im Wortschatz. Dies bedeutet, dass Gebärdensprachnutzer sich bei Bedarf die Sprache ihres Gesprächspartners recht schnell aneignen können.
In Gebärdensprachen finden Wörter ihre Entsprechung in Gebärden, die sich aus drei wesentlichen Bestandteilen zusammensetzen.
So wie Wörter in gesprochenen Sprachen als Kombinationen einer begrenzten Zahl von Konsonanten und Vokalen beschrieben werden können, sind Gebärden in Gebärdensprachen Kombinationen einer begrenzten Zahl von Handformen, Positionen und Bewegungen. Typologisch verbinden die Grammatiken von Gebärdensprachen Eigenschaften, die beide auch in gesprochenen Sprachen häufig vorkommen, die aber für gewöhnlich nicht gleichzeitig auftreten. Zum einen sind sie im Sprachbau weitgehend analytisch, und die Reihenfolge der Gebärden spielt eine wichtige Rolle. Im Wesentlichen weisen sie eine SVO-Satzstellung auf, jedoch können sie hierbei relativ flexibel sein. Zum anderen besitzen sie eine sehr reiche Morphologie, die nur manchmal angewandt wird.
Die Morphologie in Gebärdensprachen basiert im Wesentlichen auf zwei Vorgängen.
Einer davon ist die Reduplikation (teilweise oder vollständige Wiederholung einer Gebärde). In vielen Gebärdensprachen können Verben zu Nomen umgewandelt werden, indem man die Bewegung reduziert und wiederholt, so dass z.B. SIT 'sitzen' und SIT-SIT 'Stuhl' bedeutet.
Der zweite Vorgang ist die innere Modifikation. Dies bedeutet, dass ein Bestandteil der Gebärde sich verändert, während die anderen gleich bleiben. Manche Verben können das Subjekt oder das Objekt durch die Bewegungsrichtung anzeigen. In anderen Fällen können Verben durch eine veränderte Handform Informationen über die Anzahl mitteilen.
Diese beiden Vorgänge lassen sich miteinander verbinden. So können Adjektive in ASL bis zu 12 verschiedene Aspektformen aufweisen, indem die Geschwindigkeit und Art der Bewegung sowie die Anzahl der Wiederholungen verändert werden.
Aber Gebärdensprachen umfassen viel mehr als nur die Hände. Nichtmanuelle Elemente wie Mimik, Kopf- und Schulterbewegungen sind wesentliche Bestandteile der Grammatik von Gebärdensprachen und markieren Satzarten und verschiedene Satzteile wie etwa Relativsätze. Gebärdensprachen sind nicht leichter zu lernen als gesprochene Sprachen. Doch sie sind sehr reiche und ausdrucksvolle Sprachen, die die Zeit und den Aufwand durchaus lohnen und mit denen man viel Spaß haben kann.